Mittwoch, 19. Oktober 2016

Was hat der #SchweizerAufschrei mit Japan zu tun?

Dieses Thema oder besser gesagt mit diesem # wurde auf Twitter eine Initiative lanciert, welche mittlerweile auch Facebook erreichte. Am Sonntag sah ich, dass sich die Sonntagspresse damit beschäftigte.

Persönlich habe ich keine Erfahrungen damit, gegen meinen Willen angefasst zu werden. Dagegen konnte ich mich schon als Teenie wehren. Einmal in der Schule kickte ich einem Gleichaltrigen in die Genitalien und einmal gab ich einem Schulkollegen eine Ohrfeige, so dass mein Handabdruck auf seinem Gesicht zu sehen war.
Als ich in meinem zweiten Ausbildungsjahr zum Koch mit dem letzten oder zweitletzten Zug nach Hause kam und ich das Fahrrad nicht am Bahnhof hatte, hatte ich einen 20-minütigen Fussweg nach Hause. Ich ging immer zügig. Nie hatte ich irgendwelche Probleme. Heute führe ich das auf meine Ausstrahlung der Selbst-Sicherheit zurück.

Selbst-Sicherheit fängt früh an. Sie kann im Kindesalter trainiert werden. Aufmunterung und positives Denken vermitteln. Das „Nein“ akzeptieren und lernen, wo die eigenen Grenzen sind und wie diese aufgezeigt werden. Das ist sehr wichtig und frau lernt dies von den Eltern und nicht in einem Selbstverteigungskurs von 10 Lektionen.

Ehrlich gesagt, weiss auch ich mit meinen 12 Jahren Aikido-Erfahrung nicht, was ich in einer schwierigen Situation machen würde. Vielleicht erstmal schreien, oder vielleicht eine Aikido-Technik, so dass der andere ausser Gefecht ist. Wenn ich heute spät abends mit dem Zug nach Hause komme, habe ich meinen Schlüsselbund in der Hand. Ihn könnte ich in einer brenzligen Situation an den Kopf des Angreifers werfen. Alles ist Theorie, denn NIE habe ich eine solche Situation erlebt.  

Die Handgreiflichkeiten sind eines. Viel schlimmer finde ich die verbalen Attacken. Denn diese vertiefen sich in den Gedanken und verletzten mehr.
Vor vielen Jahren trennte ich mich von einem Freund. Er wollte die Trennung nicht akzeptieren und passte mich nach der Arbeit ab. Ich hatte zum Glück das Fahrrad dabei, doch er war im Auto. Ich versuchte ihn nicht zu beachten und fuhr zielstrebig zum Bahnhof. Als ich am Bahnhof war, dachte ich, jetzt hat er es aufgegeben, weil ich eine Abkürzung fahren konnte und es ziemlich Verkehr hatte. Doch dann stand er da. Drohend und auf mich einredend. Er wollte mich in sein Auto zerren. Ich schrie ihn an. Die Menschen schauten zu. Doch ein Mann wollte mir zu Hilfe eilen, als gerade der Zug einfuhr und ich in den Zug rannte. Ich war ihn los, doch ich zitterte am ganzen Körper. Was ich danach machte, weiss ich nicht mehr. Ich fühlte mich nur noch dankbar, dass ich im Zug war und dieser Ex mir nicht mehr nachstellen konnte. Das letzte, was ich zu ihm sagte, war, wenn er das nochmals mache, gehe ich zur Polizei. Er liess es bei diesem einen Mal sein.

Samstagabend wird auf SRF1 das Wort zum Sonntag ausgestrahlt. Am Samstag wurde dieses Wort von meinem Konfirmations-Pfarrer gesprochen. Es berührte mich sehr und erinnerte mich an dieses Erlebnis.


Wir alle haben unsere Erlebnisse, doch denkt daran, dass auch Frauen gleiches tun können. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille.

Doch NIE, und das gilt für beide Geschlechter, ist das OPFER schuld.

Fragst du dich, warum ich in meinem heutigen Artikel darauf eingehe? Ich zeige dir heute die Unterschiede in Bezug auf die Frau in der japanischen Gesellschaft. Erst einmal ein paar Zahlen:

Was
Japan
Schweiz
In die Schule gehen
1868
Ab 1750 – vorher je nach Region
1.    Frauenzeitschrift
1911 – Seitõ (Blaustrumpf)
1938 – Annabelle
heikle Themen erst ab 1980
Haushalts-Unterricht in der Schule
1945 nach Kriegsende für beide Geschlechter
10 Jahre nach dem Ende der Besetzung durch die USA nur noch für Mädchen
1895 – für Mädchen

Ab 1985 – auch für Jungs
Frauenbewegung
Ab 1970
Ab 1945


In dieser Mini-Aufstellung will ich dir ein paar wenige geschichtliche Hinweise über den Weg der Frau geben. Die Unterschiede sind zum Teil sehr gross, doch nicht immer war die Schweiz vor Japan. Durch die Unterschiede wird klar, dass Japan als Inselstaat keinen Einflüssen andere Länder ausgesetzt war. Alles wurde von den Männern bestimmt. Heute ist es in Japan in dieser Hinsicht nicht anders als in der Schweiz. Die Politik wird von vielen Männern höheren Alters getätigt. Doch auch da gibt es Veränderungen. Seit diesem Jahr wird die Stadt Tokyo von einer Frau regiert.

Die Gleichstellung der Frau in Japan ist noch heute an der 101. Stelle, wobei die Schweiz an der 8. Position ist. Dieser Unterschied zeigt, dass in Japan vieles gemacht werden muss. Es gibt keine Krippenplätze und Teilzeitanstellungen, die wirklich Teilzeit sind, fehlen ganz. Denn als Teilzeitangestellte wird trotzdem 100 % gearbeitet, der Lohn ist aber extrem niedrig. Die Arbeitsphilosophie muss sich in Japan für Frau und Mann ändern!

Meine Beobachtungen von meinen Reisen nach Japan zeigen dieses Bild der Frau:
  • Beim Lachen wird die Hand vor den Mund gehalten.
  • Sie ist verantwortlich für den Haushalt und das Versorgen der Kinder.
  • Die Frauen, welche arbeiten, sind Studentinnen oder Frauen, bei denen die Kinder erwachsen sind.
  • Eine Frau mit Karriere hat keine Kinder und ist meistens nicht verheiratet.


Heute begegnen sich Ehepartner auf Augenhöhe und die Ehe wird aus Liebe geschlossen. Doch viele Jahrhunderte lang war dies nicht so. Frauen mussten zu Hause bleiben und durften nicht aus dem Haus gehen. Häufig hielt der Mann neben der zugeteilten Frau eine Liebschaft, welche je nach Status der Familie im selben Haushalt lebte. Das Leben einer Frau, eines Mädchens war nichts wert. Sollte die Ehefrau Blickkontakt zu einem anderen Mann haben, durfte sie ohne Anklage von ihrem eigenen Mann getötet werden.
Frauen mussten nicht nur einen Schritt hinter dem Mann hergehen, sondern auch nach den Männern essen, sofern noch etwas übrigblieb.
Der Status der Frau begann sich langsam zu ändern, als ausländische Handelsschiffe die Öffnung von Japan erzwangen.


Noch heute haben Japans Frauen Probleme mit unsittlichen Berührungen. Dies dann, wenn der Zug oder die Metro zu Stosszeiten voll ist. Um dem entgegen zu wirken gibt es in den Grossstädten Wagons, welche zu bestimmten Zeiten nur für Frauen bestimmt sind. Doch die Probleme sind damit nicht gelöst. Übergriffe gibt es noch immer. Das Problem bei überfüllten Zügen ist, dass der Täter nur schwer zu identifizieren ist. Was ist, wenn der Falsche beschuldigt wird? Das geht in der japanischen Philosophie nicht.


In manchen Reiseführern ist zu lesen, dass man als Paar sich nicht zu verliebt in der Öffentlichkeit zeigen solle. Mein Mann und ich gehen immer Hand in Hand und gemeinsam einkaufen. Dabei zogen wir schon manch komischen Blick auf uns, vor allem dann, wenn er die schweren Taschen trug. Wir haben uns auch schon umarmt oder einen Kuss gegeben, wenn die Situation und die Umgebung passten.
Heute geben sich die Paare auch die Hand. In diesem Jahr sah ich sogar ein älteres Paar, welches sich die Hand gab.



Hingegen ist es noch heute so, dass vor allem Männer miteinander unterwegs sind und die Frauen untereinander. Ausser es ist eine Sportveranstaltung oder ähnliches. Als wir 2012 in Miyajima waren, trug mein Mann ein T-Shirt von den Swiss Olympics. Ein Japaner sprach ihn an und wollte nur mit ihm sprechen. Doch ich verstand, was der Herr wollte und klärte meinen Mann auf. So konnte er ihm antworten.

Die japanische Gesellschaft ist mit ihren Regeln und Traditionen interessant, kompliziert und manchmal nicht zu verstehen. Sie leben modern mit vielen elektronischen Gadgets, doch die vielen Traditionen machen ihnen im Alltag und in der Gleichstellung Probleme. Wie wir, müssen sie lernen, dass beides funktioniert, ohne dass dadurch Traditionen verloren gehen.

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